Zeitlos

Mit Schnee und Eis geht das Gartenjahr stimmungsvoll zu Ende

Zeit ist Geld, der Lauf der Dinge, die Uhr tickt, der Countdown läuft… aber was ist Zeit eigentlich und was stellt es mit uns an?

Urzeitrelikt Schachtelhalm

Wir haben ständig zu wenig davon, sie rennt uns davon, rinnt uns durch die Finger – und gleichzeitig wissen wir aus alten Geschichten über längst vergangene Geschehnisse und von statistischen Erhebungen, dass wir mehr davon zur Verfügung haben, als alle unsere Vorfahren, deren Lebenserwartung durch alle möglichen widrigen Umstände bei weitem nicht das Ausmaß unserer Zeit auf Erden erlangte.

Alles relativ

Wenn man zwei Stunden lang mit einem Mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden. Das ist Relativität.

Können wir unsere Gegebenheiten überhaupt mit jenen unserer Ahnen in direkten Vergleich stellen? Es gab weder die strikte Trennung von Arbeit und Freizeit, noch gab es Elektrizität, die uns nunmehr ermöglicht, jene täglich frei verfügbare Stunden auszudehnen und das beste daraus zu machen. Dank technischem Fortschritt stehen uns unzählige Helferlein zur Seite, die uns die gröbste gesundheitsgefährdende Plagerei abnehmen, die übermenschliche Kräfte aufbringen und dadurch weit produktiver sind als selbst der stärkste Muskelprotz samt seinem Lasttier, und denkt man an das oft gehörte Zitat unserer Großeltern („wir haben ja nichts gehabt damals“) stehen uns unendlich mehr Optionen frei, wie wir unserer Lebensspanne Sinn verleihen könn(t)en.

Erst kürzlich wurden wir Teilnehmerinnen eines Webinares nach unserem schönsten Erlebnis gefragt und erstaunlicherweise erinnerten sich die meisten an wunderbare Ausflüge in die Natur, an Berggipfel und Tauchgänge, mystische Gärten und wie soll´s in einer Frauenrunde anders sein: die Geburt der eigenen Kinder! Nichts Materielles, Messbares oder Greifbares also – Momente puren Glückes, in denen die Zeit stillzustehen scheint.

Nun befinden wir uns ja gerade in jener Jahreszeit, die uns manche Widersprüche so drastisch vor Augen führt. Kürzer können die Tage nicht mehr werden, es ist Wintersonnwende und erst nach dem Dreikönigstag zeigt sich dann langsam, aber doch merkbar, dass die Tageslichtlänge wieder im Ansteigen ist und das neue Jahr wieder Fahrt aufnimmt. Früher war dies die Zeit der Besinnung und Einkehr zu sich selbst, man kam zur Ruhe, wie auch das Leben draußen in der Natur einen Takt langsamer lief oder gar eine Winterschlaf einlegte. Sieht man sich draußen um, fühlt man direkt, wie unter den sinkenden Temperaturen die Pflanzen und Tiere auf Passivität umstellen, keine unnötigen Reserven verbrauchen, man weiß ja nicht, wie lang die Phase der begrenzten Resourcen und der Kälte dauern wird. Die Natur mahnt uns, einen Gang zurückzuschalten.

Und doch sind wir gestresster als im Rest des Jahres. Tausende Lichter machen uns die längsten Nächte des Jahres zum Tag, erhellen unsere geschäftigen Weihnachtsvorbereitungen. Gleichzeitig leiden immer mehr Menschen unter Vitamin-D-Mangel, Kreislauf- und Stoffwechselbeschwerden und anderen Wohlstandskrankheiten, weil sie mit unvermindertem Vollgas durchs Leben brettern, entkoppelt von den Rhythmen der Natur, als wäre nicht genau das Gegenteil davon angesagt. Aber keine Angst – wir sind nicht die ersten, die diese heilige Zeit missinterpretieren! Hätte sonst Charles Dickens seine Weihnachtsgeschichte über den Geizkragen Ebenezer Scrooge geschrieben? Dessen Thema war allerdings, seine Resourcen mit Bedürftigen zu teilen, Herz zu zeigen, damit alle unbeschadet durch harte Zeiten kommen. Als die Geister dem knausrigen alten Geschäftsmann vor Augen führen, dass die Zeitqualität von Weihnachten und dem Jahreswechsel wohl danach verlangt, sich ein Herz zu nehmen und einen neuen Weg einzuschlagen, galt es damals vor 177 Jahren wohl eher, Mangelernährung und frostiges Wohnambiente abzuwenden, wovon heute dank Fortschritt und Sozialleistungen zum Glück kaum jemand mehr betroffen ist. Diese Zeiten sind vorbei, – oder?…

Zeitenwende

Wenn´s so einfach wäre, könnten wir ja alle ständig ohne jedes Problem unseren inneren Schweinehund bezwingen und das Ruder herumreißen. Keine Plagegeister bräuchten uns erst mit Schreckensvisionen zur Umkehr ermahnen, jeder falsch eingeschlagene Kurs wäre im Nu korregiert und die Welt wieder in Ordnung. Aus eigener Erfahrung wissen wir allerdings, dass wir Gewohnheitstiere uns nur ungern von liebgewonnenen Komfortzonenerweiterungen verabschieden. Wer möchte schon auf die Errungenschaften verzichten, die das Leben angenehm gestalten? Und doch beschleicht einen oft die Ahnung, dass wir einen hohen Preis für unseren Komfort zahlen, bei all der Umweltzerstörung und sozialen Ungerechtigkeit in fernen Ländern, verursacht durch unsere Konsumgesellschaft. Aber auch was wir uns selbst antun, ist nicht ohne, die erwähnten Zivilisationskrankheiten wären durch Verzicht heilbar! In russischen Therapiezentren heilt man Krebs mit langwierigen Fastenkuren. Unser Geist und unsere Seele würden gern verzichten auf so viel Input von außen, lieber meditieren oder beten, je nach religiöser Anschauung, auf jeden Fall Zeit verbringen mit Nachschauen, was sich im Inneren tut. Das Wort meditieren bedeutet ja „nachsinnen, überlegen, Mitte finden“. Wie unkompliziert und freudvoll man es angehen kann erfährst du in dem Video von der lieben Johanna Leon.

Vielleicht verschafft ja einigen von uns heuer die Pandemie eine Gelegenheit, auf ein paar fragwürdige must haves und Gewohnheiten zu verzichten. Und auch die Waldviertler Bachblüten haben im Herbst noch durch eine Blüte Verstärkung bekommen, die den passenden Input geben kann, wenn man eine neue Bahn einschlagen möchte, nämlich die…

Herbst-Zeitlose

Colchicum autumnale

Wunderschön anzuschauen sind sie ja, die zartlilanen Krokus-artigen Blüten, die im Spätsommer und zeitigen Herbst so manche Wiese zieren. Ich ertappe mich oft, dass ich fast automatisch die passende Geologische Karte durchstöbere und – nona – kalkhältiges Gestein eingetragen finde, wo diese hübschen laublosen Blumen wachsen. Landwirte sind meist weniger erfreut über das Erblühen dieser Schönheit in ihren Wiesen, denn die hochgiftige Herbst-Zeitlose stellt eine Gefahr für das Vieh dar, wenn das Gras samt den Blüten oder Blättern zu Heu oder Silage verarbeitet und verfüttert wird. Im Futter erkennt man die Blätter an der rotbraunen Farbe und der je nach Reifestadium oft lederartigen Struktur.

Bei einem hohen Anteil der giftigen Pflanzenteile im Futter können die Nutztiere diese nicht mehr ausselektieren und übriglassen. Der Verzehr kann vor allem bei Pferden und Schweinen tödlich enden, ebenso bei Rindern, die jedoch wie Schafe und Ziegen Resistenzen entwickeln können. Das hochtoxische Alkaloid Colchicin ist vor allem zur Samenreifezeit enthalten und kann bei Wiederkäuern in die Milch übergehen. Derart kontaminierte Milch kann beim Menschen zu Tumorbildung führen.

Gleichzeitig ist Colchicin aber auch eines der wirksamsten Mittel gegen Gicht. Von Selbstversuchen sei hier jedoch dringend abgeraten, denn die enthaltenen Alkaloide werden nicht über die Leber ausgeschieden, sondern bleiben im Körper. In Apotheken sind geeignete Darreichungsformen erhältlich, in Form von Tabletten oder homöopathischen Präparaten, die auch bei Verdauungsbeschwerden hilfreich sein können. Helfend stand die Herbst-Zeitlose den Menschen auch bei in der Saatgutzucht, etwa bei der Kreuzung von Roggen und Weizen. Daraus entstand Triticale, gesegnet mit der Robustheit des Roggens und dem reichen Ertrag des Weizens. Ohne den mutagenen (erbgutverändernden) Eigenschaften der Herbst-Zeitlose wäre dies nicht gelungen. Den hohen Preis dafür zahlten leider viele Laborassistentinnen mit ihrer Gesundheit und der ihrer Kinder, welche mit Fehlbildungen zur Welt kamen.

 
Quelle WikiCommons

Woher kommt nun aber der seltsame Name? Tja, bei genauer Betrachtung der Blüten merkt man gleich, da fehlt doch was, außen herum sind keine grünen Laubblätter zu entdecken! Kein Wunder, die erscheinen nämlich erst wieder im darauffolgenden Frühjahr, weshalb es ja mitunter zu Verwechslungen mit dem Lieblings-Frühlings-Wildgemüse der Österreicher kommt, dem Bärlauch. Der wächst ja ansonsten eher im Wald, wo zwar die Herbst-Zeitlose nicht wächst, aber ein paar Regelbrecher gibt es halt auch im Pflanzenreich. Im Frühsommer erscheint dann auch der bereits im vorigen Herbst befruchtete Samenstand, dessen Kapsel etwa 50 Samenkörner enthält.

Es ist also scheinbar alles irgendwie aus dem Takt bei dieser Pflanze,  im Frühling reifen zuerst die Samen, während die Blüte erst im Herbst erscheint. Andererseits ist es doch eine schlaue Taktik, die Bestäuberinsekten im Herbst für sich zu gewinnen, wo kaum mehr Konkurrenz am Start ist. Und im Sommer verteilen dann weidende Huftiere die Samen. Hier findet sich die Botschaft dieser Pflanze manifestiert, die Signaturen deuten darauf hin, was uns die Herbst-Zeitlose sagen will:

 
Gestalte deine Zukunft

Vergangenes oder alte Muster ablegen und zuversichtlich die Lebensaufgabe erfüllen. Ungewissheit im Lebensplan als Chance für eine Wende, einen Neustart nutzen.

Nach diesem so total aus dem Rahmen gefallenen Jahr haben sich bestimmt für viele von uns die Bedingungen neu geordnet. Viele hatten das Gefühl, dass immer wieder alles neu gedacht, neu strukturiert werden muss, es zeigt sich aber nur zaghaft, wohin die Reise gehen kann, manche Flexible witterten ihre Gelegenheit und schufen aus den Schwierigkeiten heraus neue Standbeine. Es ging also drunter und drüber, für manche war es leider auch der Ruin. Wie es aber jeder Jahreswechsel in sich birgt, hoffen wir nun alle auf etwas Besseres, neue Chancen, die sich gewiss zeigen werden, die jetzt noch im Dunklen schlummern, wie die Samen der Herbst-Zeitlose, die sich im gefrorenen Boden, tief unten in der Sprossknolle bereits langsam bilden, bis das Jahr wieder Fahrt aufnimmt, die Sonne die Erde wärmt und das Leben im Frühling wieder erwacht.

Mit diesen Gedanken wünsche ich Dir und Deinen Lieben ein frohes Weihnachtsfest, einen besinnlichen Ausklang dieses außergewöhnlichen Jahres und einen hoffnungsvollen Start ins Jahr 2021!

Edith Weiss

Edith Weiss

Grüner gehts nicht!

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