Das steinige Leben am Lebensweg

Gudenushöhle

Die Rede ist hier vom Weitwanderweg „Lebensweg“ in meiner nicht nur für Geologen sehr interessanten Heimat. Dieser wurde vom ehemaligen Bühnenwirt Dieter Juster iniziiert und verbindet zwei Rundwanderwege im südlichen Waldviertel zu einer etwa 260 km langen Rundstrecke, unterteilt in 13 Etappen, auf denen man animiert wird, sich mit seinen Lebensabschnitten auseinanderzusetzen. Gern kann man meine Begleitung auf einzelnen Abschnitten buchen, um etwas über Natur und Landschaft am Lebensweg zu erfahren.

 

Naturschauspiel und Zeitzeugnisse

Angeblich wohne ich ja am spektakulärsten Abschnitt des „Lebensweg“, denn hier haben Große und Kleine Krems eine 200 Meter tiefe Schlucht in das Waldviertler Granit-Gneis-Hochland geschnitten. Hier bei dem Schleusenhaus am Zwickl treffen die beiden Flüsse aufeinander und vereinen sich zur Krems, die allerdings gar nicht in der gleichnamigen Stadt in die Donau mündet, sondern erst weiter östlich bei Altenwörth.

Tausende Jahre Leben zu Stein erstarrt

Mutter Erde hat ihr übriges dazu getan, indem sie uns mit einer äußerst reichhaltigen Geologie beschenkt hat. Der Grundstock eines Urkontinentes tritt hier zutage, aus Dobra-Gneis – mit einem Alter von 1,38 Milliarden Jahren der Methusalem in Österreich. Einst war die Gegend und damit dieses steinerne Untergeschoß von dem über 7.000 Meter hohen Variszischen Gebirge überdeckt. Es entstand vor einer Ewigkeit von einer halben Milliarde Jahre, als  damals per Kontinentaldrift und Auffaltung alle Landmassen zusammentrafen und sich vereinten zum Riesenkontinet Pangäa. Gewaltige Gesteinsmassen wurden da verformt, zusammen- und ineinandergeschoben, aufgefaltet, manche überdeckt und aufgeschmolzen oder zerrieben. 

In unserem Fall wurden kalkhältige Ablagerungen von Meereslebewesen schichtweise überlagert von Lava unterseeischer Vulkanausbrüche. Später folgten noch weitere Schichten anderer Gesteine und über Jahrtausende unter enormem Druck und hohen Temperaturen wurde aus den Meerestieren der kristalline Marmor und die Lava verwandelte sich in Amphibolit. Der Zahn der Zeit nagte per Wind und Wasser 90 % der einstigen Überdeckung ab und so marschiert man nunmehr durch das Kremstal wie durch ein Geologisches Freilichtmuseum, in dem die gesteinsbildenden Prozesse zur Schau gestellt sind. Da sieht man die rundlich abgeschliffenen Formen des hellrosa Hartensteiner Marmor, mancherorts auch in reinweiß oder durch Graphit gefärbt in grauen Varianten, die durch ortsansässige Betriebe abgebaut und verarbeitet werden. Als krasser Kontrast sind die Marmorvorkommen meist von schroffen, fast schwarzen Amphibolit-Lagern abgegrenzt, sehr gut sichtbar bei der Gudenushöhle, die durch die Erosionsprozesse gebildet wurde.

 

Steinalte Zeiten werden lebendig

Von dieser Höhle hört vermutlich jedes österreichische Schulkind einmal, gleich zu Beginn wenn es um die Steinzeit geht im Geschichtsunterricht. Das Leben der Neandertaler, die hier die ältesten menschlichen Spuren auf österreichischem Boden hinterließen, wurde durch diverse Artefakte belegt. Für mich war dieser Abschnitt der Menschheitsgeschichte schon immer der spannendste! Erstens weil man sich dafür im Geschichtsunterricht keine Jahreszahlen und Feldherrn-Namen merken musste und außerdem, weil dieses Zeitalter noch sehr viel Raum für Phantasie und Spekulationen offen lässt. Durch moderne archäologische Methoden verfliegt etwas vom Zauber der Ungewissheit, aber man darf sich auch mangels Beweismaterial noch sehr viel mehr selbst zusammenreimen, als bei späteren Zeitabschnitten, in denen das Leben per Schrift oder gar Film bestens dokumentiert wurde.

Da tauchen Fragen auf, wie „Haben die in der Höhle Feuer gemacht?“ oder „Waren die Steinzeitmenschen das ganze Jahr über hier?“ und so vertieft man sich in Recherchen in tollen Museen, wie dem MAMUZ in Asparn, Krahuletzmuseum in Eggenburg und dem großen NHM, dem Naturhistorischen Museum in Wien, in denen auch zahlreiche Fundstücke aus den Kremstalhöhlen ausgestellt sind. Gespräche mit enthusiastischen Profis, wie ArchäologInnen und KulturvermittlerInnen malen lebhafte Bilder von längst vergangenen Zeiten. Und so ergeben sich immer mehr stimmige Eindrücke, kann man sich in das Sein unserer frühesten Vorfahren hineinversetzen, gibt es Geschichten zu erzählen, die die Vergangenheit spürbar werden lassen.

Momentan wird das früheste Österreicher-Dasein direkt hier vor Fundort noch kaum touristisch, museal oder sonst irgendwie aufbereitet, was sich vielleicht in naher Zukunft bald ändern wird. Noch wird aber nicht zu viel verraten! Für geologisch Interessierte installierte Prof. Alexander Tollmann 1994 einen Geologischen Lehrpfad, der Gesteinsformationen direkt im Kremstal erläutert. Es ist nunmehr eine Neuauflage des Begleitfolders in überarbeiteter Version in Arbeit, der die sehr wissenschaftlich gehaltenen Definitionen auch für Laien verständlich erklären wird.

Für mich stellt sich hier ein sehr spannender Moment dar, nämlich jener Zeitpunkt, als der Grund und Boden gerade passend aufbereitet war, damit die allerersten Menschen hier Fuß fassen und (über)leben konnten. Welche Eindrücke müssen die ersten Jäger und Sammler beim Eintreffen in der Gegend hier bewogen haben zu bleiben? Welche geologischen „Zufälle“ bereiteten den Grundstock, damit hier die Natur ideale Bedingungen bieten konnte für unsere Vorfahren? Spannende Fragen, auf die ich bei meinen Naturvermittlungen vor Ort eingehe und versuche, ein aussagekräftiges Bild zu malen.

Edith Weiss

Edith Weiss

Grüner gehts nicht!